oder: die Faszination des Originals
Archivpädagogik soll ein Ansatz sein, bei dem schon Jugendlichen möglichst früh ein Gespür für das Gewicht von Originaldokumenten und -quellen vermittelt wird.
Denn woher weiß Google, was es weiß?
Man möchte Schüler genau dorthin locken, wo diese Fakten ermittelt werden und erklären, wie diese überhaupt auf uns gekommen sind.
Geschichte soll vor Ort erlebt und kritisches Lesen angeregt werden.
Für erwachsene Interessierte bietet das Archiv der St. Katharinenspitalstiftung Online-Lesekurse an: Link
Vergangenheit: das einzige Arsenal,
wo wir das Rüstzeug finden,
unsere Zukunft zu gestalten.
Wir erinnern uns nicht ohne Grund.
José Ortega y Gasset
Kurzer Auszug aus einem Bericht der Lehrerin Martina Köglmeier (Von-Müller-Gymnasium Regensburg), die im Zuge des Wahlunterrichts "Archiv und Schule" mit einer 7. Klasse im Spitalarchiv zu Besuch war:
"…Um historisches Denken aufzubauen, vollziehen die Schülerinnen und Schüler – in vereinfachter Form – den Forschungsweg eines Historikers nach: In der Auseinandersetzung mit der Vergangenheit ergeben sich Fragen (Fragekompetenz), die beantwortet werden sollen (mit Sachkompetenz), indem entsprechende historische Literatur oder passende Quellen gesucht und untersucht werden (Methodenkompetenz). Wenn es gelingt, die gewonnenen Einsichten und Erkenntnisse auf die eigene Alltagswelt zu übertragen, eigene Einstellungen zu hinterfragen oder Zeitgeschehen auf diesem Hintergrund neu zu bewerten, spricht man von Orientierungskompetenz."
"Im Geschichtsunterricht kam bei verschiedenen Themen auf die Frage: Und wie sah das dann damals genau in Regensburg aus?, prompt die Antwort: Das müssen wir googlen!
Doch woher hat Google diese Informationen, woher kommt das Wissen aus unseren Geschichtsbüchern?
Darauf reagierten die Kinder zunächst mit Nachdenklichkeit, bis eine Schülerin mit dem Stichwort kam: Im Internet wird doch archiviert! Dass die klassischen Archive mit ihren schriftlichen Quellen die Grundlage für unser Geschichtswissen liefern, das war keinesfalls selbstverständlich für alle. Warum nicht die eigenen Fragen zum Thema Leben im mittelalterlichen Regensburg dort beantworten lassen?
Mit dem Spitalarchiv wurde ein engagierter und geduldiger Partner gefunden. Spitalarchivar Dr. Artur Dirmeier gab bei den Archivbesuchen stets wertvolle und praktische Tipps für die Auseinandersetzung mit Themen, mit denen sich die eifrigen Siebtklässlerinnen und Siebtklässler beschäftigen wollten und die deren Forschungseifer wie auch ihre Fragekompetenz unter Beweis stellten:
Haben die Menschen im Mittelalter ganz andere Dinge gegessen und getrunken als heutzutage?
Kann man von technischen Errungenschaften dieser Zeit sprechen?
Wie sah der berufliche Alltag bestimmter Berufsgruppen aus?
Nahmen es die Menschen im Mittelalter tatsächlich mit der Reinlichkeit nicht so genau?
Und wie stand es um die Effektivität von Medizin und Heilung von Krankheiten im anvisierten Zeitraum?
Unter Zuhilfenahme des vorhandenen Quellenmaterials (der zu untersuchende Zeitraum wurde aufgrund der Quellenlage kurzfristig auf die Frühe Neuzeit ausgedehnt) wurde versucht,
die verschiedenartigen
Quellen wie Rechnungsbücher oder Speisepläne sowie Bilder zu analysieren, um die Vergangenheit zu rekonstruieren und Antworten auf die eigenen Fragen zu erhalten.
Die Quellenausbeute war nicht in jedem Fall befriedigend – auch eine realistische Erkenntnis für die jungen Spurensucher: Geschichte ist ein Konstrukt und wenn die Originalquellen keine
befriedigende Auskunft geben, kann keine konkrete Aussage über diesen Teil der Vergangenheit ge -
troffen werden.
Wie gut, dass sich andere Historiker bereits mit ähnlichen Fragen beschäftigt haben und man nachlesen kann. Auch das taten die Jung-Forscher: historische Darstellungen zu ihren Themen suchen und in einem Akt des Dekonstruierens deren Aussagen mit den Ergebnissen aus ihrer Quellenanalyse vergleichen – in geschichtsdidaktischem Jargon: sachkompetent werden mit Hilfe von Methodenkompetenz."
Und ein weiterer großer Vorteil tat sich auf:
"Die Geschichtsvorstellungen vieler Kinder – aber auch Erwachsener – enthalten oft schiefe Informationen, da sie die historischen Bezüge in ihrer Umwelt verständlicherweise nicht immer
richtig deuten können. Mit einer Originalquelle aus der jeweiligen Zeit konfrontiert, sind die Schülerinnen und Schüler durch deren Authentizität viel eher bereit, vorgefertigte Annahmen noch
einmal zu überdenken."
Hundezeichnung - gefunden in einem Rechnungsband des Jahres 1848
Foto: Spitalarchiv