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Voller Begeisterung berichtete Reichsarchivar Franz Joseph von Samet am 2. Oktober 1812 von seiner Archivreise nach Regensburg, die ihn auch in das St. Katharinenspital an der Steinernen Brücke geführt hatte:
"Wider alle Vermuthung entdekte sich darinn ein wahrer Schaz von Dokumenten ...., die bisher selbst dem Regensburgischen Kronikenschreiber aus dem Grunde ganz unbekannt geblieben sind, weil die vormals aufgestellte Administration aus zweyerley Religions-Verwandten bestanden hat, die wahrscheinlich aus religiöser Eifersucht jedem die nähere Einsicht derselben zu hindern gesucht haben."
Bestand im Überblick
Besonderheit: mittelalterliche Schriftgutüberlieferung
Die Siegelurkunden des St. Katharinenspitals setzen 1163, die Amtsbücher zu Beginn des 14. Jahrhunderts und die Akten im späten 15. Jahrhundert ein. Für den Zeitraum vor 1500 blieben im
Spitalarchiv rund 2000 Urkunden und 383 Amtsbücher erhalten. Zu nennen sind Urbare, Briefbücher, grundherrschaftliche Verwaltungsbücher, Schuldbücher, Rechnungsbücher, Stifts- und Taidingsbücher
sowie Ehaftbücher und Statutensammlungen bis hin zu den Anfängen einer rudimentären Aktenführung. Die älteste Amtsbuchführung des St. Katharinenspitals wird über die Statuten Bischof Siegfrieds
(1227-1246) und die Verwaltungsbücher des Ulrich Obser aus dem frühen 15. Jahrhundert greifbar. Aus der Verwaltungsführung der Spitalbruderschaft haben sich zahlreiche Siegelurkunden und ein
Urbar erhalten, während die frühen Kopial- und Rechnungsbücher ebenso wie Teilkopiare, -urbare und -rechnungen verloren gingen. Insgesamt ist für das Mittelalter ein hoher Grad an Schriftlichkeit
belegt.
Geschichte der Archivalienüberlieferung
Die älteste Amtsbuchführung des St. Katharinenspitals kann über die Salbücher des 15. Jahrhunderts erschlossen werden. Dort wird auf Einträge in einem Buch aus Pergament
(pergamenen buch) und in einem Alten Briefbuch verwiesen. Das so genannte Pergamentbuch war ein Kopialbuch des 13. oder 14. Jahrhunderts mit Abschriften von Privilegien und Besitztiteln und kann
bis 1692 in der Spitalkanzlei nachgewiesen werden.Das Alte Briefbuch war der Vorläufer des 1414 angelegten Neuen Briefbuchs und ist am ehesten als Ein- und Auslaufregister zu klassifizieren. Das
Neue Briefbuch und die vier Salbücher sollten den gesamten Schriftverkehr des St. Katharinenspitals erfassen.
Die Salbücher des Ulrich Obser wurden von seinen Nachfolgern mit nachlassender Sorgfalt geführt und finden in der allmählich um 1500 einsetzenden Aktenführung des St. Katharinenspitals eine
Fortsetzung. Diese Aktenregistratur war nach Sach- und Ortsbetreffen aufgebaut und folgte den tradierten Verwaltungsstrukturen. Ein Teil des mittelalterlichen
Schriftverkehrs wurde nur begrenzte Zeit aufbewahrt. Es handelt sich um Briefe, Quittungen, Notizen, Teilrechnungen, von denen einige – mehr oder minder zufällig – in den
Rechnungsbüchern überliefert sind.
Am 4. Juli 1538 gaben Domkapitel und Stadtrat von Regensburg ein Urkundenrepertorium in Auftrag. Demnach war der Urkundenbestand auf zwei Schränke verteilt. Der eine war in 110
Laden gegliedert und durchnummeriert, der andere in 13 große Laden von A bis N eingeteilt. Der erste Schrank enthielt die kaiserlichen, königlichen und fürstlichen Privilegien sowie die
bischöflichen Begnadigungen, ebenso die Besitztitel und Leiheurkunden alphabetisch nach Ortsbetreffen. Der zweite Urkundenschrank war nach Sach- und Ortsbetreffen
gegliedert. In der Lade F lag der bereits erwähnte Pergamentband mit den Privilegien und Freiheitsbriefen des Spitals, in der Lade L die Urfehden und in der Lade K die gesamten
Ablassbriefe der Päpste, Kardinäle und Bischöfe. Wiederholte Revisionen des Urkundenbestandes datieren in die Jahre 1745, 1811, 1867 und 1898.
Das Urkundenrepertorium des Jahres 1745 trägt den sprechenden Namen Dic mihi, was so viel bedeutet wie „Sag mir [,wo die Urkunden liegen]“. Dieser ungewöhnliche Repertorientitel hat sein Vorbild
in einem gleichnamigen Findmittel der domkapitelschen Kanzlei von Regensburg. Zum Urkundenfonds des St. Katharinenspitals gehören nachweislich die ältesten Urkunden des Bestandes
„Reichsstadt Regensburg“ im Bayerischen Hauptstaatsarchiv, darunter Papst-, Kaiser-, Königs- und Bischofsurkunden. Die charakteristischen Rückvermerke ebenso wie inhaltliche Kriterien
machen sie als solche kenntlich.
Die Aktenregistratur des St. Katharinenspitals lag im 18. Jahrhundert in vier Kästen, über die Johann Christoph Püchelberger je einen Katalog anfertigte. Nach Aussage Püchelbergers vom 31.
Dezember 1772 lagen die Acta, Schriften und Documenta in großer Unordnung und waren seit 150 oder mehreren Jahren nicht mehr geordnet worden.
Als der oberste bayerische Archivar, Franz Joseph von Samet, das Spitalarchiv am 2. Oktober 1812 besuchte, stellte er wie oben dargestellt begeistert einen wahren Schaz von Dokumenten fest.
Bereits 1813 übertrug das Reichsarchiv dem vorgenannten Chronisten, nämlich Landesdirektionsrat und Archivar Carl Theodor Gemeiner, die Oberaufsicht über das Spitalarchiv mit der Begründung: "da es ein wesentlicher bestandteil des zu bildenden Kommunalarchivs seiner Natur nach werden muß." Gemeiner ordnete jedoch den Verbleib des Schriftguts im Archivgewölbe des Spitals an. Mit dieser Entscheidung rettete er den Archivbestand vor einschneidenden Kassationen, die das reichsstädtische Archiv im 19. Jahrhundert erlitt.
Nicht etwa die Neuorganisation des Archivwesens zu Beginn des vorletzten Jahrhunderts, sondern die Begehrlichkeiten von Historikern und Archivaren führten bis weit ins 20. Jahrhundert zur Entfremdung von Archivgut. Mit der Gründung der Universität Regensburg wuchs schließlich das wissenschaftliche Interesse an dem für Stadt und Region bedeutenden Archivbestand. Darauf reagierte der Spitalrat. Um das Spitalarchiv für zukünftige Generationen zu erhalten und der Forschung zugängig zu machen, richtete dieser ab 1971 die ersten Magazin- und Benutzungsräume ein....
Fotos: Spitalarchiv